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        Vietnam arbeitet am Aufbau einer Edelhotellerie

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        Die Kaiserstadt Hue ist eines der fünf Unesco Weltkulturerbe in Vietnam.

        Die Kaiserstadt Hue ist eines der fünf Unesco Weltkulturerbe in Vietnam.

        Dschungel und Kultur zogen bislang meist Individualreisende mit wenig Geld nach Vietnam. Doch neue Nobelresorts sollen neue Kundschaft locken.

         

        Nussschale wäre fast zu viel gesagt. Eher wie geflochtene Körbe, die ins Wasser gefallen sind, sehen diese Boote aus: kreisrund, ohne Kiel, der die Fluten teilen könnte. Noch nicht einmal Ruder, sondern bloß ein langer Stock, mit dem der Steuermann in die Wellen sticht und das Rundboot damit auf wundersame Weise in eine bestimmte Richtung bugsiert.

         

        Die traditionellen vietnamesischen Fischerboote, Durchmesser rund zwei Meter, sind für die hohe See denkbar ungeeignet – und doch versuchten viele der „Boat-People“ nach dem Ende des Vietnamkriegs in genau solchen schwankenden Schüsseln verzweifelt aus dem kommunistischen Land zu entkommen. 500.000 Menschen nahmen damals den Weg übers Meer. Daran muss ich denken, als es unserem vietnamesischen Gondoliere mit geschickten Stocherbewegungen einigermaßen elegant gelingt, seine drei Passagiere im seichten Wasser der Ke-Ga-Bucht auf die vorgelagerte Insel mit dem Leuchtturm zu bringen. 110 Jahre alt ist dieser schlanke Turm, gebaut von den französischen Kolonialherren, die bis Mitte der 50er-Jahre das Land beherrschten. Sein Feuer ist heute erloschen, aber der Turm markiert diese Bucht, an der es, außer der Erinnerung an die Geschichte, weiter nichts gibt als eines der exklusivsten Strand-Resorts von ganz Vietnam: „Princess d’Annam“.

        2008 wurde die Anlage südlich der Provinzstadt Phan Thiet eröffnet. 57 Villen von edel bis ultraluxuriös, weiß gestrichen, von schnörkelloser Eleganz und diskret in einen weitläufigen tropischen Garten hineingepflanzt. Schlingpflanzen, blühende Büsche, Palmen; hier ein Pool und da noch einer. Das Schwierigste ist, in diesem labyrinthischen Dschungelparadies den Weg zum Hauptgebäude mit Restaurants und Spa zu finden. Dabei hat es die Ausmaße einer Dreifachturnhalle. Und wirkt auch ansonsten nicht gerade bescheiden: wuchtige Säulen, dreieckige Giebel – ein griechischer Tempel an den Gestaden des Südchinesischen Meeres, erhaben über dem breiten Strand. Grandios die Sichtachse: Wer von der Landseite auf die lang gestreckte Eingangshalle zuläuft, der blickt durch sie wie durch ein Fernglas hinaus auf den Ozean.

        Auf der Terrasse weht abends ein kühler Wind – durchaus angenehm in einer Gegend, in der tagsüber Temperaturen von 35 Grad üblich sind. Das Essen wird im Freien serviert, zubereitet vom Küchenchef aus Frankreich, der von seinen vietnamesischen Vorfahren das Gespür für die regionale Kochkunst mitbekommen hat. Das Resultat: hochgradig verfeinerte vietnamesische Küche, beinahe auf Sterneniveau.

        Essen, am Strand spazieren, in der Sonne liegen, im Meer baden, den Fischern zusehen: Viel mehr ist nicht zu tun an der Ke-Ga-Bucht, sieht man einmal ab von dem liegenden Buddha auf dem Berg Ta Cu, dem größten seiner Art in Vietnam, zu dem man einen Ausflug unternehmen kann, was aber die wenigsten Gäste tun. Wer hierherkommt, der sucht die absolute Einsamkeit – und findet sie.

        Action und Strandleben gibt es dagegen in Mui Ne, 30 Kilometer weiter nördlich, wo in Restaurants und Bars bis zum Morgengrauen gefeiert und getanzt wird. Mui Nes Attraktion, abgesehen vom klaren, Badewannen-warmen Meer, ist eine riesige rote Sanddüne, auf deren glühendem Sand man rodeln kann – die dafür nötigen Plastikrutschen, die man sich unter das Hinterteil klemmt, hält die örtliche Jugend für ein paar Münzen bereit. Der Ort zieht vor allem Rucksackreisende an, doch seit Kurzem gibt es in Mui Ne mit dem „L’Anmien“-Resort ebenfalls eine hochklassige Herberge. Nicht ganz so exklusiv wie „Princess d’Annam“, dafür übersichtlicher und intimer. Die Zimmer sind puristisch ausgestattet, dunkles Holz vor glatten Wänden, Kieselsteine vor der Dusche, kein überflüssiger Schnörkel, nirgends. Fast Zen-buddhistisch und naturnah.

        Das Resort hat dem Dorf, das sich kilometerlang den Strand entlangzieht, einen deutlichen Schub in Richtung Luxustourismus gegeben. Diese Entwicklung ist noch ziemlich neu in Vietnam, denn das Land gilt immer noch als bevorzugtes Ziel für Individualreisende mit schmalem Geldbeutel sowie für Bildungsurlauber, für die Kultur wichtiger ist als Komfort. Immerhin besitzt Vietnam fünf Welterbe-Stätten: Die Kaiserstadt Hue, der Hafen Hoi An und die Tempelanlage My Son sind von der Unesco als kulturelle Kostbarkeit klassifiziert, die Ha-Long-Bucht sowie der Nationalpark Phong Na Ke Bang sind Weltnaturerbe. Die klassische Vietnam-Reise verbindet in der Regel die Besichtigung dieser Höhepunkte mit einigen Tagen Aufenthalt in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt, dem einstigen Saigon.

        Das Wissen darum, dass Vietnam neben Dschungel und Kultur auch Strand zu bieten hat, ist bislang allerdings noch auf der Ebene Geheimtipp angesiedelt. Es gibt in dem Land, das von der Fläche her ungefähr so groß wie Deutschland ist, noch sehr wenige Strandhotels und Resorts, erst recht im Luxussegment mit ernst zu nehmenden Vier- und Fünfsternehäusern. Doch planmäßig – immerhin ist Vietnam bis heute sozialistisch – wird an dem Aufbau einer Edelhotellerie gearbeitet, nicht zuletzt, weil das Land versucht, sich als ein neues Thailand zu etablieren: als sonnenverwöhntes, authentisches, fernöstliches Reiseziel, aber ohne politische Unruhen, ohne besetzte Flughäfen, ohne blockierte Einkaufszentren, die in Thailand seit einiger Zeit zu beklagen sind.

        Vietnam ist, aufgrund seiner Seepferdchen-Silhouette, mit einer enormen Küstenlinie ausgestattet: Fast 3500 Kilometer sind es von Hong Gai ganz im subtropischen Norden bis zur Insel Dao Phu Quoc im tropischen Südwesten. Die Regierung setzt mittlerweile auf mehr Gäste aus Europa – und auch aus den USA. Zwar muss jedes Unternehmen offiziell zu 51 Prozent einem Vietnamesen gehören, doch das schreckt kaum mehr jemanden. Es sind nicht zuletzt ehemalige Boat-People, die in Australien, Amerika oder anderswo ihr Glück gemacht haben und nun in ihr früheres Heimatland zumindest als Investoren zurückkehren.

        An manchen Orten herrscht bereits Goldgräberstimmung. In Da Nang etwa. Die drittgrößte Stadt Vietnams liegt an seiner schmalen Taille, fast genau in der Mitte zwischen Nord und Süd. Sie soll zur neuen Drehscheibe des Vietnam-Tourismus werden. Ausgerechnet Da Nang. Dort befand sich die Militärbasis der amerikanischen Streitkräfte. Von hier aus wurden die Bomber mit dem Entlaubungsgift Agent Orange losgeschickt. Hier grub der Vietcong Tunnel in die amerikanische Festung und verübte die zermürbenden Anschläge, die schließlich zur Demoralisierung der US-Army führten.

        Der Krieg ist in der Erinnerung vieler Vietnamesen noch sehr präsent. Das hindert sie aber nicht, Souvenirshops und Restaurants für Touristen zu eröffnen, Englisch zu lernen oder für amerikanische Hotelkonzerne zu arbeiten – am Straßenrand weisen Schilder auf Hotelprojekte von Hyatt, Marriott & Co. hin. Da Nangs traumhafter „China Beach“, an dem sich damals die GIs vom mörderischen Dschungel-Krieg erholten, ist auf bestem Weg, ein internationales Bade- und Surfer-Paradies zu werden, in dem mittlerweile sogar Elefanten arbeiten, als Schlepphilfe für die Schlauchboote der Touristen.

        Ein paar Kilometer weiter südlich, etwas außerhalb des Unesco-Kulturerbes Hoi An mit seiner pittoresken Altstadt, ist die touristische Zukunft schon Wirklichkeit: Das Resort „The Nam Hai“ ist selbst für asiatische Verhältnisse ein Superlativ an Eleganz und Stil. Dass die Anlage zu den „Leading Small Hotels of the World“ gehört, ist fast schon ironisch zu verstehen, denn die rund 100 Villen für insgesamt maximal 450 Gäste sind 80 bis 660 Quadratmeter groß, also alles andere als „small“. Sie sind obendrein derart weitläufig in Halbkreis-Form zum Meer hin aufgestellt, dass der Fußweg zum Frühstück im palastartigen Restaurant einer Sportstunde gleichkommt. Golf-Caddies mit Chauffeur fahren deshalb unentwegt die Gäste über das Gelände.

        Nun steht schiere Größe nicht unbedingt für Qualität. In „The Nam Hai“ allerdings verschmelzen in idealer Weise eine verschwenderische Raumgestaltung, reduziert-modernes Design, traditionelle Materialen und ein Sinn für Details. Auch wenn man in der Villa nicht sofort jeden Lichtschalter findet: Unter der Außendusche im Privatgarten – Standard in jedem Zimmer – ist das sofort vergessen.

        Der Strand ist so leer und weit wie an den meisten Stellen in Vietnam. Die Cham-Inseln runden den Blick auf das Südchinesische Meer ab. Auch hier ein paar Fischer, ein paar schwimmende Körbe, ansonsten: nichts. Der reine Luxus.

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